Fiktive Abrechnung nach Gutachten rechtens

Der Unfallgeschädigte kann weiterhin „ nach dem Gutachten abrechnen.“

Dies bedeutet, dass das Fahrzeug auch weiterhin nicht repariert werden muss, sondern die Möglichkeit bestehen bleibt, sich den Schadensbetrag (netto) auszahlen zu lassen, um damit nach Lust und Laune zu verfügen.

Dies sollte eigentlich eine Selbstverständlichkeit sein. Denn im Bürgerlichen Gesetzbuch steht in § 249 Abs. 2 S. 1 ausdrücklich:

(2) Ist wegen Verletzung einer Person oder wegen Beschädigung einer Sache Schadensersatz zu leisten, so kann der Gläubiger statt der Herstellung den dazu erforderlichen Geldbetrag verlangen.

Nirgends kommt zum Ausdruck, dass das Geld auch für die Reparatur verwandt werden müsste.

Außerdem wird im Folgesatz deutlich, dass Umsatzsteuer nur ersetzt wird, falls diese tatsächlich anfällt. Dieser Satz wäre ohne die Möglichkeit der fiktiven Abrechnung praktisch sinnlos.

LG entschied keine fiktive Abrechnung mehr

Deutlicher geht es also kaum – und dennoch hatte das Landgericht Darmstadt im Urteil vom 05.09.2018, 23 O 386/17 entschieden: Ab sofort gibt es keine fiktive Abrechnung mehr und nur durch Rechnung nachgewiesene Positionen sind in Zukunft noch ersatzfähig. Auch die Geltendmachung von Nutzungsausfall ist daher unmöglich – denn wer kein Ersatzfahrzeug miete, der brauche auch keines und kann daher auch keinen Ersatz verlangen.

Zur Begründung zog das Landgericht ein Urteil des für Bausachen zuständigen Senats des BGH heran, indem dieser für einen Schadensersatzanspruch aus baurechtlichen Vertragsverstoß entschieden hatte, dass eine fiktive Abrechnung nicht in Frage komme.

Außerdem sei die Abrechnung nach Gutachten geradezu ein Einfallstor für betrügerische Abrechnungen.

OLG bestätigt dagegen die fiktive Abrechnung

Dieser Argumentationslinie hat das OLG Frankfurt a.M. im Beschluss vom 18.06.2019, 22 U 210/18 nun in aller Deutlichkeit einen Riegel vorgeschoben und das Landgericht deutlich in die Schranken gewiesen:

Der Gesetzgeber sehe die fiktive Abrechnung vor. Wenn das Landgericht meine, durch die Abschaffung der Abrechnungsalternative Betrügereien verhindern zu können, so überschreite es zum einen deutlich seine Kompetenz.

Nur der Gesetzgeber kann nämlich Gesetze ändern und nicht die Gerichte! Auf dieses Grundprinzip der Gewaltenteilung weist das OLG in aller Deutlichkeit hin.

Zum anderen sei die Argumentation auch im Übrigen nicht tragfähig. Dass die fiktive Abrechnung den Betrug fördere, sei eine reine Unterstellung und auch der Vergleich mit dem Baurecht überzeuge nicht – denn hier sind andere spezialgesetzliche Regelungen einschlägig, welche auf die schadensersatzrechtliche Abwicklung nach einem Verkehrsunfall nicht übertragbar seien.

Fazit

Das LG Darmstadt wollte hier Gesetzgeber spielen und hat sich damit eindeutig verrannt. Der Unfallgeschädigte kann damit weiterhin frei entscheiden, welche Form des Ersatzes er wählt, während den Richtern in Darmstadt die Flügel gestutzt wurden.