BGH Urteil vom 02. Juni 2015 – VI ZR 387/14
Ersatzfähigkeit der Reparaturkosten, die über dem Wiederbeschaffungswert liegen
Der BGH hat sich in folgender Entscheidung mit der Frage beschäftigt, inwieweit eine Versicherung Reparaturkosten ersetzten muss, die über dem Wiederbeschaffungswert des verunfallten und beschädigten Fahrzeuges liegen.
Sachlage:
Die Geschädigte aus einem Autounfall vom 20.10.2012 ließ ihren Mercedes Benz C 200 D in einer Werkstatt im Zeitraum vom 04.10. bis 13.10.2012 reparieren. Zuvor wurde ein Sachgutachten erstellt, indem festgestellt wurde, dass die Kosten für die Reparatur auf 2.973,49 € brutto festgesetzt wurde. Der Wiederbeschaffungswert wurde mit 1.600 € beziffert und der Restwert auf 470 € geschätzt. Die Reparaturkosten beliefen sich auf 2.079,79 €, wobei auch gebrauchte Teile verbaut wurden. Die Versicherung der Gegenseite regulierten den Schaden noch vor dem Gerichtsverfahren als wirtschaftlichen Totalschaden auf Grundlage des Wiederbeschaffungswerts und zahlte der Geschädigten eine Summe von 1.130 €. Des Weiteren bezahlte sie die Sachverständigenkosten, die vorgerichtliche Anwaltskosten in Höhe von 229,55 € und eine Unkostenpauschale von 25 € an die Klägerin. Noch offen ist eine Betrag von 949,79 € für die Reparatur des Unfallwagens, 805,92 € für den genutzten Mietwagen und 129,25 € für den Rechtsanwalt. Die Klägerin verlangt, dass die noch ausstehenden Kosten vollständig von der Versicherung erstattet werden.
Entscheidung:
Die Berufungsinstanz entschied, dass der Klägerin nicht der ihr von der ersten Instanz zuvor zugesprochene Anspruch zusteht. Das Amtsgericht hatte entschieden, dass die Versicherung alle ausstehenden Kosten der Klägerin ausgleichen müsse. In der Berufungsverhandlung führte das Gericht jedoch an, dass der Klägerin ein solcher Anspruch nicht zustünde. Zum ersten habe die Versicherung den Schaden zu Recht auf Totalschadenbasis abgerechnet. Es sei wirtschaftlich unvernünftig, wenn die voraussichtlichen Reparaturkosten mehr als 30% über dem Wiederbeschaffungswertes liegen würden. Aus dem Sachverständigengutachten ist eine Reparatursumme von 2.973,49 € zu entnehmen, welche 189 % des zuvor angesetzten Wiederbeschaffungswertes von 1.600 € entsprechen würde. Der Klägerin sind zwar nur Reparaturkosten in Höhe von 2.079,79 € entstanden, was knapp der Vorgabe von 130 % des angesetzten Wiederbeschaffungswertes entspricht, dies könne aber keine Rechtfertigung für die Forderungen der Klägerin sein. Die Klägerin halte sich zwar an die vertretbare Grenze von 30%, dennoch wurden die Reparaturen nicht wie vom Sachverständigen vorher festgelegt durchgeführt. Die Fahrertür und eine Zierleiste sind durch gebrauchte Teile ersetzt worden. Andere, vom Sachverständigen veranschlagte Reparaturen wurden erst gar nicht durchgeführt. In solchen Angelegenheiten ist immer auf die prognostizierten Reparaturkosten abzustellen um die nicht unerhebliche Manipulationsgefahr so gering wie möglich zu halten. Ansonsten würde die Bedeutung eines eingeholten Schadensgutachtens untergraben. Unter den gegebenen Umständen sei noch festhalten, dass sich die Klägerin in Bezug auf das Gutachten widersprüchlich verhalte. Zum einen stützt sich ihre Ausgangsbasis für die Berechnung der 30% auf das Gutachten, andererseits bemängelt sie, dass einige geforderte Reparaturen nicht erforderlich seien. In seinen Ausführungen stimmt der BGH der Entscheidung des Berufungsgerichts zum größten Teil zu. Er führt aus, dass ein Geschädigter nur Ersatz für die Beschaffung eines gleichwertigen Fahrzeuges (Wiederbeschaffungskosten abzüglich des Restwertes) verlangen kann, wenn das Kraftfahrzeug nicht mehr der Reparatur würdig ist. Erfolgt dennoch eine Reparatur, können die Kosten nicht in einen vom Schädiger auszugleichenden vernünftigen und einen vom Geschädigten selbst zu tragenden unvernünftigen Teil aufgeteilt werden. Grundsätzlich darf dem Geschädigten der Ersatz seiner entstandenen Reparaturkosten nichtverwehrt werden, weil die Reparaturkosten des Fahrzeuges vom Sachverständigen höher als die 30% geschätzt wurden, wenn es dem Geschädigten dennoch gelungen ist unter den 30% zu bleiben und die Reparatur unter den Vorgaben des Sachgutachtens durchgeführt wurde. Im vorliegenden Fall sei die Reparatur aber nicht nach den Sachvorgaben des Gutachters erfolgt, sodass ein Ersatz der entstandenen Kosten nicht in Betracht kommt. Dagegen spricht auch nicht, dass der Sachgutachter die erfolgte Reparatur als fachlich gut bezeichnet hat. Es komme viel mehr auf die Erforderlichkeit bestimmter Reparaturen an.
Der BGH stellt fest, dass eine Erstattung der Kosten nur zu erfolgen hat, wenn die Grenze von 30% eingehalten wurde und die Reparatur, wie im Sachgutachten verlang vorgenommen wurde. Dies sei hier nachweislich nicht der Fall, sodass der Klägerin keine der geltend gemachten Ansprüche zustehen.