Verpflichtung Kasko bei Haftpflichtschaden in Anspruch zu nehmen ?

Verpflichtung Kasko bei Haftpflichtschaden in Anspruch zu nehmen ?

Der BGH hat eine in der Praxis immer wieder auftretende Frage entschieden.

Muss ein Unfallgeschädigter seine Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, um die Mietwagenkosten oder eine Nutzungsausfallentschädigung gering zu halten ?

Sie standen an einer “roten” Ampel. Der Hintermann fährt auf. Ihr Fahrzeug ist erheblich beschädigt, es ist nicht mehr fahrbereit und kann auch durch eine Notreparatur nicht wieder fahrbereit gemacht werden. Ihr Gutachter erstellt ein Sachverständigengutachten, Ihr Anwalt macht Ihre Ansprüche bei der gegnerischen Haftpflichtversicherung geltend. Die Regulierung verzögert sich, sei es, dass der Unfallgegner den Schaden nicht meldet, sei es, dass die Bearbeitungszeit der Versicherung unterirdisch ist, sei es, dass die Versicherung zunächst Einblick in die polizeiliche Ermittlungsakte nehmen will.

Nach dem Verkehrsunfall haben Sie ein Mietfahrzeug angemietet, um mobil zu bleiben. Sie können die erheblichen Reparaturkosten nicht verauslagen, das verunfallte Fahrzeug ist allerdings Kasko versichert. Ihr Anwalt teilt der Versicherung mit, dass Sie die Reparaturkosten nicht verauslagen können und einen Reparaturauftrag erst dann erteilen, wenn eine Deckungszusage seitens der Versicherung erfolgt ist.

Daraufhin teilt die Versicherung mit, Sie sollten doch zunächst Ihre Kaskoversicherung in Anspruch nehmen, um eine schnelle Reparatur zu gewährleisten, damit der Mietwagen schnellst möglich zurückgegeben werden kann. Dies passiert in der Praxis sehr oft.

Das Amtsgericht Berlin, als auch das Landgericht in Berlin haben der Versicherung zugestimmt, und entschieden, dass ein Unfallgeschädigter gegen seine Schadensminderungspflicht verstößt, wenn er eine bestehende Kaskoversicherung nicht in Anspruch nimmt.

Dieser sehr versicherungsfreundlichen Rechtsprechung hat der Bundesgerichtshof jetzt, völlig zu Recht, eine Absage erteilt. (BGH Urteil vom 17.11.2020 VI ZR 569/19)

Der Geschädigte eines Verkehrsunfalls ist grundsätzlich nicht verpflichtet, den eigenen Kaskoversicherer auf Behebung des Schadens in Anspruch zu nehmen, um die Zeit des Nutzungsausfalls oder der Mietwagennutzung möglichst gering zu halten.

Etwas anderes kann nur dann gelten, wenn ausnahmsweise der Geschädigte von vornherein damit rechnen muss, dass er einen erheblichen Teil des Schadens selbst tragen muss.

Es ist sehr zu begrüßen, dass der BGH hier Klarheit geschafft hat.

Dieser Fall zeigt wieder einmal exemplarisch, wie wichtig es für Unfallgeschädigte ist, einen im Verkehrsrecht spezialisierten Rechtsanwalt mit der Regulierung des Unfalls zu beauftragen. Da die Haftpflichtversicherung des Unfall verursachenden Fahrzeuges auch die Anwaltskosten tragen muss, entstehen für den Unfallgeschädigten durch die Beauftragung des Anwaltes keinerlei Kosten.

2021-02-02T09:03:28+02:00Februar 2nd, 2021|Categories: Allgemein, Unfall, Urteile, Wissenswertes|