Wer ein gebrauchtes Auto erwirbt und später feststellen muss, dass es sich entgegen der Absprachen um ein Unfallfahrzeug handelt, oder versteckte Mängel vorliegen, der fühlt sich zu Recht getäuscht und will den Kauf rückgängig machen.

Den Kauf wieder rückgängig zu machen, ist aber oft gar nicht so einfach. Gerade wenn die Gewährleistungsrechte ausgeschlossen wurden  (Privatkauf) oder Fristen (verkürzte Verjährung bei Gebrauchtfahrzeugen, 1 Jahr ab Übergabe) bereits verstrichen sind, ist die einzige Möglichkeit die Rückabwicklung noch zu erreichen, dem Verkäufer eine arglistige Täuschung nachzuweisen.

Die erste Überlegung des Käufers ist wohl: „Der Verkäufer muss doch bemerkt / gewusst haben, dass er mir einen Unfallwagen verkauft hat!“

Beim Kauf von einer Privatperson muss der Käufer beweisen, dass dem Verkäufer die Mängel bekannt waren und dieser arglistig gehandelt hat.  Dies ist in den meisten Fällen sehr schwierig bis unmöglich.

Beim Kauf von einem Fahrzeughändler hilft die Rechtsprechung dem Käufer mit dem Erfordernis einer Sichtprüfung.

Wer bei oder über einen Händler sein Fahrzeug erworben hat, der muss wissen, dass der professionelle Verkäufer eine Untersuchungsobliegenheit hat, der er auch nachkommen muss. Dabei ist es unerheblich, ob er das Fahrzeug für eine Privatperson (Kommission) oder für sich selbst verkauft.

Doch wie weit geht diese Untersuchungspflicht? Der Bundesgerichtshof hat hierzu in zwei wegweisenden Entscheidungen ausgeführt, dass den Gebrauchtwagenhändler keine generelle, anlassunabhängige Untersuchungspflicht treffen soll. Er müsse als nicht bei jedem Fahrzeug gezielt nach Unfallschäden suchen oder die Fahrzeughistorie abfragen. Erst wenn besondere Umstände einen konkreten Mangelverdacht nahelegten, müsse der Verkäufer genauer hinschauen und das Auto weiter überprüfen.

In jedem Fall sei er aber zu einer fachmännischen äußeren Besichtigung („Sichtprüfung“) verpflichtet,

(BGH, Urteil vom 19.06.2013; VIII ZR 183/12; BGH, Urteil vom 15.04.2015, VIII ZR 80/14).

Was schon der BGH im Jahre 2015 hat anklingen lassen, hat nun auch das Oberlandesgericht Karlsruhe mit Beschluss vom 20.05.2020, 9 W 10/20 bekräftigt: Für die fachmännische Sichtprüfung reicht es nicht, einmal um den Wagen herumzugehen!

Vielmehr gehöre es zu einer Sichtprüfung eines Händlers, dass das Fahrzeug „auf eine Hebebühne genommen wird, um einen Blick auf die Unterseite des Fahrzeugs zu werfen.“

Interessanterweise hat das OLG Karlsruhe betont, dass dem Verkäufer kein Vorwurf der arglistigen Täuschung zu machen sei, wenn er den Käufer ausdrücklich darauf hingewiesen hätte, dass eine solche Sichtprüfung eben nicht stattgefunden hat.

Im Klartext:

Wer ein gebrauchtes Auto von einem Händler kauft, der kann erwarten, dass der Verkäufer das Fahrzeug umfassend in Augenschein genommen hat und von oben bis unten – zumindest oberflächlich – auf Vorschäden geprüft hat. Hat eine solche Sichtprüfung nicht stattgefunden, handelt der Verkäufer arglistig.

Nur wenn der Verkäufer dem Käufer ausdrücklich mitteilt: „Ich habe keine Sichtprüfung an dem Fahrzeug durchgeführt“ kann der Käufer dem Verkäufer später nicht mehr vorwerfen, er (der Verkäufer) habe von dem Unfallschaden / den Mängeln gewusst (oder hätte von diesem zumindest wissen müssen) und ihn darüber hätte aufklären müssen.

Der Verkäufer sollte diese fehlende Sichtprüfung im Vertrag schriftlich aufnehmen.