BGH: bei Probefahrt entwendetes Fahrzeug kann gutgläubig erworben werden !

BGH: bei Probefahrt entwendetes Fahrzeug kann gutgläubig erworben werden !

Ein Urteil des BGH, dass jeder Autoverkäufer kennen sollte, das jeden Autoverkäufer aber wahrscheinlich auch ratlos zurück lässt.
Der Kernsatz des Urteils lautet: “Ein Fahrzeug, das einem vermeintlichen Kaufinteressenten für eine unbegleitete Probefahrt überlassen und von diesem nicht zurückgegeben wurde, ist dem Eigentümer nicht im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen. Dieser verliert daher sein Eigentum an dem Fahrzeug, wenn es nachfolgend durch einen Dritten in gutem Glauben erworben wird.
Für Autohäuser / Autoverkäufer birgt dies einigen Sprengstoff.
Was war passiert:

Im September 2017 erschien bei einem norddeutschen Autohändler ein Mann, der sich für einen Kraftfahrzeug im Wert von 52.900€ interessierte. Er legte, für den Verkäufer nicht erkennbar,  professionell gefälschte ausländische Ausweispapiere, Führerschein und Meldebestätigung vor. Der Verkäufer kopierte alles, ließ sich die Handynummer des vermeintlichen Käufers geben und übergab ihm das Fahrzeug mit Schlüssel und Kopie der Zulassungsbescheinigung. Der vermeintliche Käufer kehrte mit dem Fahrzeug nicht zum Autohaus zurück. Stattdessen inserierte er es im Internet und verkaufte es gegen Barzahlung von 46500€ wenige Tage später am Hamburger Hauptbahnhof an eine Familie aus Hessen.  Erst die Zulassungsstelle bemerkte die  Fälschung der Fahrzeugpapiere, woraufhin Käufer und das Autohaus informiert wurden. Das Autohaus forderte von der Käuferfamilie das Fahrzeug zurück. Im Gegenzug verlangte der Käufer vom Autohaus die Herausgabe der Fahrzeugpapiere und des Fahrzeugschlüssels.

Das Landgericht hatte dem Käufer Recht gegeben, das OLG dem Autohaus. Der BGH wiederum hat zu Gunsten des Käufers entschieden.
Der BGH führt aus, dass das Autohaus das Eigentum an dem Fahrzeug verloren hat. Der Käufer habe das Eigentum gutgläubig erworben. Grundsätzlich schützt § 935 BGB den rechtmäßigen Eigentümer dadurch, dass ein gutgläubiger Erwerb von abhanden gekommenen Sachen nicht möglich ist. Der BGH geht im vorliegenden Fall aber nicht von einem Abhandenkommen i.S.d. § 935 BGB aus. Ein Abhandenkommen setzt einen unfreiwilligen Besitzverlust voraus.
Macht sich bei einer unbegleiteten Probefahrt der angebliche Kaufinteressent mit dem Wagen davon, ist das Autohaus rechtlich nicht mehr der Besitzer.  Das Autohaus gibt das Fahrzeug während der Probefahrt freiwillig aus seinem Besitz, sobald der Kunde losfährt. Ein späterer Käufer darf das Fahrzeug behalten, wenn er von all dem nichts wusste.  Er wird rechtmäßiger Eigentümer.
Grundsätzlich gilt: Niemand kann etwas als Eigentum erwerben, das einem anderen gestohlen oder anderweitig abhandengekommen ist (§935 BGB).
Der BGH ist jetzt zu Ungunsten von Autohäusern von diesem Grundsatz abgewichen.
Tipp für Autohäuser: Probefahrten sollten grundsätzlich mit einem Mitarbeiter des Autohauses stattfinden, evtl. reicht auch eine “GPS kontrollierte” Fahrt aus. Sollte es sich bei dem Interessenten nicht um einen bekannten Kunden handeln, ist in jedem Fall Vorsicht geboten.
BGH Urteil vom 18.09.220 (Az. V ZR 8/19)
2020-10-19T16:23:25+02:00September 22nd, 2020|Categories: Allgemein, Kfz-Kaufvertrag, Urteile, Wissenswertes|