Verkehrsunfallflucht ist kein Kavaliersdelikt – wie verhalte ich mich im Falle eines Unfalls richtig ?

Verkehrsunfallflucht ist kein Kavaliersdelikt – wie verhalte ich mich im Falle eines Unfalls richtig ?

Im ersten Halbjahr des Jahres 2019 kam es zu 69.895 Verkehrsunfallfluchten in NRW, mithin zu 368 Unfallfluchten pro Tag. Neben Sachbeschädigungen wurden hierbei 2.666 Personen verletzt und 5 weitere Menschen starben sogar. Aufgrund dieser Zahlen muss von einem Massenphänomen ausgegangen werden.

 

Die Fahrerflucht nach einem Verkehrsunfall hat für den Flüchtigen ganz erhebliche Konsequenzen sowohl in strafrechtlicher als auch in zivilrechtlicher Hinsicht.

Nach § 142 des StGB wird die Straftat der Fahrerflucht mit einer Geldstrafe oder mit einer Freiheitsstrafe bis zu 3 Jahren bestraft. Der unbescholtene Ersttäter wird bei einer Verkehrsunfallflucht in der Regel mit einer Geldstrafe in Höhe von 20 bis 40 Tagessätzen zu jeweils 1/30 seines monatlichen Nettoeinkommens bestraft. Im Falle eines monatlichen Nettoeinkommens von 1.500,00 Euro wäre beispielsweise eine Geldstrafe zu 30 Tagessätzen zu jeweils 50,00 Euro, mithin eine Gesamtgeldstrafe in Höhe von 1.500,00 Euro, wahrscheinlich.

Zudem droht in die Entziehung der Fahrerlaubnis nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB.

Denn nach § 69 Abs. 2 Nr. 3 StGB begründet die Verkehrsunfallflucht die Regelvermutung der charakterlichen Ungeeignetheit für die Teilnahme am Straßenverkehr, wenn durch den Unfall ein Mensch getötet oder erheblich verletzt wurde oder ein bedeutender Fremdsachschaden entstanden ist. Nach derzeitiger Rechtsprechung wird ein bedeutender Schaden ab einem Betrag in Höhe von 1.300,00 -1.500,00 Euro angenommen.

Hinzu kommt, dass sofern dringende Gründe für den Fahrerlaubnisentzug nach § 69 StGB gegeben sind, also insoweit dringender Tatverdacht besteht, in der Regel bereits im laufenden Ermittlungsverfahren nach § 111 a StPO die vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis angeordnet wird.

Des Weiteren führt die Unfallflucht nach § 6 Abs. 3 KfzPflVV zur Leistungsfreiheit des Kfz-Haftpflichtversicherers bis zu einem Betrag in Höhe von 5.000,00 Euro. Ein Rückgriffsanspruch gegenüber dem Versicherten bis zu dieser Höhe besteht nach                                   § 426 Abs. 1 BGB in Verbindung mit  §§ 3, 5, 6 Abs. 3 KfzPflVV.

Das heißt in der Praxis, dass die Kfz-Haftpflichtversicherung des Unfallflüchtigen diesen nach erfolgter Schadensregulierung auf bis zu 5.000,00 Euro in Regress nimmt, also diesen Betrag vom eigenen Versicherungsnehmer zurückfordert.

Im Fahreignungsregister in Flensburg werden bei einer „Fahrerflucht“ drei Punkte eingetragen.

 

Ferner gilt für Fahranfänger innerhalb der 2-jährigen Probezeit, dass es sich bei der Unfallflucht um einen schwerwiegenden Verstoß handelt, der zu einer Verlängerung der Probezeit von 2 auf 4 Jahre führt sowie die Erforderlichkeit des Besuchens eines Verkehrsaufbauseminars – verbunden mit erheblichen Kosten in Höhe von etwa 250,00 Euro bis 400,00 Euro – nach sich zieht.

 

  1. Unfall bemerkt/ nicht bemerkt

Von entscheidender Bedeutung ist die Frage, ob der Unfall bemerkt wurde oder nicht. Selbstverständlich kann eine Unfallflucht im juristischen Sinne nur dann vorliegen, wenn der Unfall zuvor auch bemerkt wurde.

Die Staatsanwaltschaft muss dem Angeklagten in einem Prozess nachweisen, dass dieser den Unfall bemerkt hat.  Allerdings genügt es nach einer Unfallflucht wiederum nicht, einfach zu behaupten, man habe den Unfall nicht bemerkt, was umso mehr dann gilt, wenn deutliche äußere Schäden am Fahrzeug ersichtlich sind.

In solchen Fällen werden in einem Gerichtsverfahren häufig Gutachter eingesetzt, die den Unfall so nachkonstruieren, dass feststellbar ist, ob der Unfall im konkreten Fall wahrnehmbar war oder nicht. In einigen Fällen sind auch Zeugen des Unfalles vorhanden, die den Unfall gesehen haben. Durch deren Aussagen und dem Verhalten der Angeklagten nach dem Zusammenstoß, Aussteigen, Abbremsen, Umschauen, sind schon viele Täter überführt worden.

 

  1. Wie verhalte ich mich bei einem bemerktem Unfall richtig ?

Den Unfallort dürfen Sie grundsätzlich nicht ohne Weiteres verlassen.

Das heißt, dass Sie zuvor dazu verpflichtet sind, dem Unfallgegner die Art Ihrer Beteiligung an dem Unfall zu offenbaren und diesem Ihre Personalien mitteilen müssen.

Wenn der Unfallgegner nicht am Unfallort ist, weil Sie beispielsweise ein geparktes Auto angefahren haben, dann reicht es entgegen dem mitunter anzutreffenden Irrglauben nicht aus, lediglich einen Zettel an der Windschutzscheibe anzubringen.

Vielmehr trifft Sie dann eine Wartepflicht, deren zeitliche Dauer von den äußeren Umständen abhängt. Es muss eine angemessene Zeit gewartet werden. Die Länge dieser angemessenen Zeit bestimmt sich nach dem Grad des Feststellungsinteresse des Geschädigten, der Zumutbarkeit des Wartens, der Art und Schwere des Unfalls, Verkehrsdichte, Tageszeit, Witterung, sonstige Chancen wirksamer Aufklärung und die entgegenstehenden Interessen des Täters. Es ist somit auf die Umstände des Einzelfalls abzustellen. Daher gilt beispielsweise für nächtliche Verkehrsunfälle eine verkürzte Wartepflicht von 10 bis 20 Minuten.

Für gewöhnliche Verkehrsunfälle mit Sachschäden gilt eine Wartezeit von etwa 30 Minuten, während bei Unfällen mit verletzten Personen 60 Minuten gewartet werden muss.

Falls man am Unfallort vergeblich wartet, so muss man unverzüglich die Polizei informieren bzw. das nächstgelegene Polizeirevier aufsuchen und das Unfallereignis sowie die eigenen Personalien mitteilen.

Übrigens besteht bei Verkehrsunfällen mit Wildtieren, die rechtlich gesehen als Sache gelten, die Besonderheit, dass diese keinerlei Schadensersatzansprüche stellen (können), weswegen hier eine Strafbarkeit wegen Unfallflucht von vorneherein ausscheidet.

Jedoch müssen Sie hier dennoch unverzüglich die Polizei oder den Förster informieren, da andernfalls wegen Verstoßes gegen das Tierschutzgesetz eine Geldstrafe von bis zu 50.000,00 Euro droht.

 

  1. Nachträgliche unverzügliche Mitteilung des Unfalls

Im Falle dessen, dass Sie sich nach Ablauf der Wartefrist oder berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernt haben, müssen Sie die Unfallmitteilung unverzüglich durch Kontaktaufnahme mit der Polizei nachholen.

Als Rechtfertigungsgrund für ein berechtigtes Verlassen der Unfallörtlichkeit kommt beispielsweise der Umstand in Betracht, dass eine verletzte Person ins Krankenhaus verbracht werden musste. Dringende geschäftliche Angelegenheit scheiden dagegen immer – ungeachtet ihrer wirtschaftlichen Bedeutung – als Rechtfertigungsgrund aus.

Ein Entschuldigungsgrund für entschuldigtes Entfernen kommt in der Praxis nur in den seltensten Fällen vor und wäre zum Beispiel gegeben, wenn der Unfallverursacher durch den Verkehrsunfall ein Schock erleidet und infolge dieses Schockzustandes die Örtlichkeit sofort verlässt, ohne sich zuvor um die Aufklärung des Unfallgeschehens zu kümmern.

 

Falls Sie sich in unberechtigter Weise vom Unfallort entfernt haben sollten und Ihnen entsprechende strafrechtliche sowie zivilrechtliche Konsequenzen drohen, so ist zu bedenken, dass ein Verkehrsunfall selten völlig unbemerkt bleibt, sondern häufig von irgendwelchen zufälligen Zeugen erkannt wird.

Hier hilft Ihnen eventuell noch die sogenannte „24-Stunden-Regel“. Wenn Sie innerhalb von 24 Stunden nach dem Unfall die Angaben zum Unfallereignis bei der Polizei nachträglich und freiwillig nachholen, spricht man von „tätiger Reue“. Zu Ihren Gunsten kann das Gericht die Gesetzesvorschrift des § 142 Abs. 4 StGB heranziehen. Bei dieser Gesetzesnorm handelt es sich um einen persönlichen Strafaufhebungs- oder Strafmilderungsgrund, der die grundsätzlich gegebene Strafbarkeit unberührt lässt. Das Gericht kann die getätigte Reue wohlwollend berücksichtigen und die Strafe mildern oder von dieser ganz absehen, wenn der Unfall außerhalb des fließenden Verkehrs einen nicht bedeutenden Sachschaden zur Folge hat. Allerdings gilt dies nur für Fälle, in denen die Unerheblichkeitsgrenze von einem Sachschaden in Höhe von 2.500,00 Euro nicht überschritten ist.

 

  1. Strafrechtliche/ polizeiliche Ermittlungen nach Ablauf der 24-Stunden-Frist

Sofern die 24-Stunden-Frist bereits abgelaufen ist und die Polizei Sie über Ihr Kennzeichen ausfindig gemacht haben sollte, so raten wir Ihnen zunächst, von Ihrem Schweigerecht Gebrauch zu machen und jede noch so vermeintlich unwichtige Angabe zur Sache zu vermeiden.

Es empfiehlt sich, zunächst einen Rechtsanwalt  zu beauftragen sowie über diesen Akteneinsicht im laufenden Ermittlungsverfahren zu beantragen. Nach Einsicht in die Ermittlungsakte und Kenntnis des genauen Tatvorwurfs sowie der gegebenen Beweislage kann gegebenenfalls eine Einlassung oder eine Teileinlassung die sinnvollste Option sein und über Ihren Verteidiger abgegeben werden.

 

 

 

 

 

 

2020-01-20T18:24:15+02:00Januar 20th, 2020|Categories: Allgemein, Bußgeldbescheid, Fahrerlaubnis, Fahrverbot, Unfall, Urteile, Wissenswertes|