Abtretung von Sachverständigengebühren

Abtretung von Sachverständigengebühren

Die Abtretungsvereinbarung zwischen Geschädigtem und Kfz-Sachverständigen

von Rechtsanwalt Marc-Andre Kniewel, Dortmund

­ (– veröffentlicht im KammerReport der Rechtsanwaltskammer Hamm für den Oberlandesgerichtsbezirk Hamm (Westf.) und der Westfälischen Notarkammer, 73. Jahrgang, Hamm, den 16. Dezember 2020, Nr. 5 Bl. 16ff. –)

 Einleitung

Der vorliegende Beitrag befasst sich mit den Problemen einer Abtretungsvereinbarung im Bereich Kfz-Unfallgutachten.

Bei der Auftragserteilung legt ein Kfz-Sachverständiger häufig ein Abtretungsformular zur Unterschrift vor. In diesem verpflichtet sich der Geschädigte, die Schadenersatzforderung, die er selbst gegen den Schädiger hat, erfüllungshalber an den Sachverständigen abzutreten.

Erfolgt eine solche Abtretung erfüllungshalber und nicht an Erfüllung statt, so ist die Vereinbarung i. d. R. als fiduziarische Vollrechtsübertragung zu behandeln.[1]

Für den Sachverständigen hat dies zur Folge, dass er neben dem Weiterbestehen seiner Forderung aus dem Werkvertrag eine zusätzliche Befriedigungsmöglichkeit erhält.[2]

Der Geschädigte hingegen verliert (zunächst) seinen Anspruch. Er kann die Kosten des Sachverständigengutachtens, die grundsätzlich nach § 249 ff. BGB ersatzfähig sind, nicht mehr in eigenem Namen gegen den Schädiger geltend machen – durch die wirksame Abtretung des Anspruchs besteht keine Aktivlegitimation des Geschädigten.

In der Praxis wird häufig die Aktivlegitimation des Geschädigten gerügt, wenn dieser – trotz geschlossener Abtretungsvereinbarung – die Sachverständigenkosten als eigene

Schadensersatzposition geltend macht. Eine solche Rüge ist jedoch nur dann erfolgversprechend, wenn die geschlossene Abtretungsvereinbarung überhaupt wirksam ist.

Unwirksamkeit der Abtretungsvereinbarungen

Ob eine Abtretungsvereinbarung wirksam ist, hängt grundsätzlich vom Einzelfall ab. Bei einer Durchsicht verschiedener Abtretungsvereinbarungen fällt jedoch auf, dass sich in einer Vielzahl der Vereinbarungen gleichlautende Mustertexte befinden. Viele der Mustertexte wurden im Laufe der Zeit an die Rechtsprechung des BGH angepasst. Dennoch ist es nicht selten der Fall, dass auch aktuelle Vereinbarungen noch immer Formulierungen enthalten, die einer gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten.

Zum besseren Verständnis und zur besseren Überprüfbarkeit in der Praxis werden deshalb vorab drei exemplarische Beispiele an (noch immer) gängigen Abtretungserklärungen vorgestellt:

I.

„Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o. g. Angelegenheit trete ich meine Ansprüche gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs zzgl. Fremdkosten einschließlich der Mehrwertsteuer des SV für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Die Abtretung erfolgt in der Reihenfolge: Sachverständigenkosten, Wertminderung, Nutzungsausfallsentschädigung, Nebenkosten, Reparaturkosten. Dabei wird eine nachfolgende Position nur abgetreten, wenn die zuvor genannte Position nicht ausreicht, um den gesamten Honoraranspruch des Sachverständigen zu decken. Sollte die Abtretung der Ansprüche den tatsächlichen Honoraranspruch übersteigen, erfolgt die Abtretung dergestalt, dass hinsichtlich der zuletzt abgetretenen Anspruchsposition ein erstrangiger Teilbetrag in Höhe des restlichen Sachverständigenhonorars abgetreten wird. Auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichte ich. Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des SV unmittelbar durch Zahlung an den SV zu begleichen. Der Sachverständige ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern gegenüber offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des SV aus diesem Vertrag gegen mich nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug-umZug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern. Über die Vergütungsansprüche des Sachverständigen im Zusammenhang mit der im vorliegenden Schadensfall entfalteten Tätigkeit darf ich keine Vergleiche abschließen.“

II.

„Zur Sicherung des Sachverständigenhonorars in der o. g. Angelegenheit trete ich meinen Anspruch auf Erstattung des Sachverständigenhonorars gegen den Fahrer, den Halter und den Haftpflichtversicherer des unfallbeteiligten gegnerischen Fahrzeugs in Höhe des Honoraranspruchs einschließlich der Mehrwertsteuer für die Erstellung des Beweissicherungsgutachtens erfüllungshalber an den SV ab. Auf den Zugang der Annahmeerklärung verzichte ich. Zugleich weise ich hiermit die Anspruchsgegner unwiderruflich an, den Forderungsbetrag aus der Rechnung des SV unmittelbar durch Zahlung an den SV oder den von ihm genannten Gläubiger zu begleichen. Der SV ist berechtigt, diese Abtretung den Anspruchsgegnern gegenüber offen zu legen und die erfüllungshalber abgetretenen Ansprüche gegenüber den Anspruchsgegnern im eigenen Namen geltend zu machen. Durch diese Abtretung werden die Ansprüche des SV aus diesem Vertrag gegen mich nicht berührt. Diese können nach erfolgloser außergerichtlicher Geltendmachung bei der gegnerischen Versicherung oder dem Schädiger zu jeder Zeit gegen mich geltend gemacht werden. Im Gegenzug verzichtet der Sachverständige dann jedoch Zug um Zug gegen Erfüllung auf die Rechte aus der Abtretung gegenüber den Anspruchsgegnern. Über die Vergütungsansprüche des SV im Zusammenhang mit der im vorliegenden Schadenfall entfalteten Tätigkeit darf ich keine Vergleiche abschließen.“

III.

„(…) Das Sachverständigenbüro kann die Ansprüche gegen mich geltend machen, wenn und soweit der regulierungspflichtige Versicherer keine Zahlung oder lediglich eine Teilzahlung leistet. In diesem Fall erhalte ich die Forderung zurück, um sie selbst gegen die Anspruchsgegner durchzusetzen.”

Es mag überraschend sein, aber sämtliche der o. g. Abtretungsvereinbarungen sind unwirksam – sie verstoßen gegen §§ 305 ff. BGB:

Die unter I. aufgezeigte Vereinbarung verstößt gegen § 305c Abs. 1 BGB:

Eine Regelung in allgemeinen Geschäftsbedingungen hat dabei einen überraschenden Inhalt i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB, wenn sie von den Erwartungen des Vertragspartners deutlich abweicht und dieser mit ihr den Umständen nach vernünftigerweise nicht zu rechnen braucht.[3]

Die in der Vereinbarung verwendete Formulierung ist wegen ihres überraschenden Charakters nicht Vertragsbestandteil geworden.[4]

Die dargestellte Abtretungsvereinbarung bezieht sich nicht nur auf die grundsätzlich abtretungsfähige Schadenersatzposition der Gutachterkosten, sondern erweitert die Abtretungsvereinbarung auf nahezu sämtliche Ansprüche, die ein Geschädigter gegen seinen Unfallgegner geltend machen kann.

Sie ist deshalb überraschend i. S. v. § 305c Abs. 1 BGB, da ein rechtlich nicht vorgebildeter durchschnittlicher Auftraggeber eines Schadensgutachtens nicht mit einer Abtretungsvereinbarung dieser Art zu rechnen braucht.[5]

Die unter II. aufgezeigte Vereinbarung ist nicht überraschend im o. g. Sinn, verstößt jedoch gegen das Transparenzgebot gemäß § 307 Abs. 1 Satz 2, Satz 1 BGB:

„Nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB kann sich eine unangemessene Benachteiligung des Vertragspartners auch daraus ergeben, dass eine Bestimmung nicht klar und verständlich ist. Der Verwender allgemeiner Geschäftsbedingungen ist nach den Grundsätzen von Treu und Glauben verpflichtet, Rechte und Pflichten seiner Vertragspartner möglichst klar und durchschaubar darzustellen. Er muss folglich einerseits die tatbestandlichen Voraussetzungen und Rechtsfolgen so genau beschreiben, dass für ihn keine ungerechtfertigten Beurteilungsspielräume entstehen. Andererseits soll der Vertragspartner ohne fremde Hilfe möglichst klar und einfach seine Rechte feststellen können, damit er nicht von deren Durchsetzung abgehalten wird.“[6]

Die Abtretungsvereinbarung erfüllt diese Anforderungen nicht.

„Unklar im dargestellten Sinne ist die Klausel dabei schon deshalb, weil aus ihr für den als durchschnittlichen Kunden angesprochenen (durchschnittlichen) Unfallgeschädigten nicht hinreichend deutlich wird, welche Rechte ihm gegenüber dem Sachverständigen zustehen sollen, wenn der Sachverständige nach „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgter (Erst) Abtretung des Schadensersatzanspruchs den ihm nach der Klausel verbleibenden vertraglichen Honoraranspruch geltend macht.“[7]

In der Vereinbarung findet sich zwar eine Verzichtserklärung. Diese betrifft jedoch allein den Verzicht des Sachverständigen, den Schädiger nicht aus abgetretenem Recht in Anspruch zu 6 BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 277/17, Rn. 14 7 BGH, a. a. O. Rn. 15 nehmen, falls der Sachverständige den Geschädigten in Anspruch nimmt und dieser seiner vertraglichen Verpflichtung nachkommt.

„Die damit intransparent geregelte Frage, was mit der vom Geschädigten an den Sachverständigen abgetretenen Schadensersatzforderung geschehen soll, wenn der Sachverständige nach der Abtretung seinen vertraglichen Honoraranspruch gegen den Geschädigten geltend macht, steht in unmittelbarem inhaltlichen Zusammenhang mit der „zur Sicherung“ und „erfüllungshalber“ erfolgten Forderungsabtretung selbst. Die dargestellte Intransparenz führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 2 BGB zur Unwirksamkeit der gesamten Klausel (…).“[8]

Die gerügte fehlende Transparenz kann darüber hinaus auch nicht durch Auslegung der Vereinbarung überwunden werden. In der Vergangenheit wurde von einzelnen Gerichten vertreten, dass sich ein solcher Anspruch aus ergänzender Vertragsauslegung ergäbe bzw. dies konkludent vereinbart sei.[9]

Dies führt jedoch nicht darüber hinweg, dass der BGH mit seinen Entscheidungen deutlich gemacht hat, dass insbesondere die Regelung zur Rückübertragung des Anspruchs ausdrücklich erfolgen muss, da hier weder die Rechtsfigur der ergänzenden Vertragsauslegung noch die konkludente Einbeziehung in den Vertrag geeignet sind.

Die unter III. dargestellte Vereinbarung verstößt trotz der formulierten Rückübertragungsmöglichkeit ebenfalls gegen § 307 Abs. 1 S. 2 BGB:

Der Anspruch auf Rückübertragung muss nämlich nicht nur generell, sondern darüber hinaus auch eindeutig geregelt sein. Aus der Klausel muss der Zeitpunkt, ab welchem der Geschädigte seinen Anspruch zurückerhält, klar erkenntlich sein.[10] Diese Anforderungen erfüllt die Klausel nicht.

Bei der Klausel bleibt ungeklärt, ab wann der Geschädigte die abgetretene Forderung zurückerhalten soll. Es wird nicht deutlich, ob dies bereits bei Zahlungsaufforderung, gleichzeitig mit der Zahlung oder erst im Anschluss an die Zahlung erfolgt.[11] Die Klausel regelt nur intransparent, wann der Geschädigte den an den Sachverständigen abgetretenen Anspruch ganz oder nur teilweise zurückerhält. Das dem Geschädigten zustehende Rückübertragungsrecht „steht in unmittelbarem inhaltlichem Zusammenhang mit der Regelung der erfüllungshalber erfolgenden Anspruchsabtretung selbst und führt deshalb nach § 307 Abs. 1 Satz 1 und 2 BGB zu deren Unwirksamkeit.“[12]

Wirksamkeit der Abtretungsvereinbarungen 

Wie bereits in der Einleitung beschrieben, beantragen Geschädigte – trotz der getroffenen Abtretungsvereinbarung – Zahlung der Gutachterkosten an sich bzw. Freistellung ggü. dem Gutachter. Erfüllt die Abtretungsvereinbarung jedoch die höchstrichterlichen Anforderungen, so führt die mangelnde Aktivlegitimation des Geschädigten zwangsläufig zu einer Versagung des geltend gemachten Anspruchs und einer dementsprechenden Kostenlast:

„Der Klägerin steht darüber hinaus kein Anspruch auf Erstattung der beanspruchten Sachverständigenkosten zu. (…). Die Klägerin vermochte ihre Aktivlegitimation hinsichtlich der unstreitig erfolgten Abtretung des Ersatzanspruchs gegenüber der Beklagten an den Sachverständigen weder darzulegen noch zu beweisen. Insbesondere berief sich die Klägerin zuletzt auf einen Freistellungsanspruch, sodass ein Ausgleich der Kosten und eine damit einhergehende Rückabtretung des Ausgleichsanspruchs nicht angenommen werden konnte.“[13]

 

Zusammenfassung 

Durch die BGH-Entscheidungen wurde klargestellt, dass in der Abtretungsvereinbarung nur die Schadensersatzposition der Gutachterkosten erfüllungshalber abgetreten werden kann. Eine vollumfängliche Abtretung aller etwaigen Ansprüche führt zur Unwirksamkeit der Vereinbarung. Zudem muss in der jeweiligen Abtretungsvereinbarung ausdrücklich geregelt sein, wann und unter welchen Voraussetzungen der Geschädigte einen Anspruch auf Rückabtretung des Anspruchs erhält.

Bei der Übernahme eines verkehrsunfallrechtlichen Mandats sollte daher stets zu Beginn geprüft werden, ob die Abtretungsvereinbarung an den Kfz-Sachverständigen überhaupt wirksam ist, da dies die Aktivlegitimation des Geschädigten betrifft.

Wird eine Forderung wirksam auf den Sachverständigen übertragen, so verbleibt für einen Geschädigten – der die Kosten des Sachverständigengutachtens dennoch gerichtlich geltend machen will – nur die Möglichkeit, dass er sich vor der Geltendmachung des Anspruchs mit dem Sachverständigen in Verbindung setzt. Dieser kann den Geschädigten zur Durchsetzung des Anspruchs ermächtigen.

Ist die Abtretungsvereinbarung unwirksam, so bleibt der Geschädigte Inhaber des Schadensersatzanspruchs. Er ist nach wie vor aktivlegitimiert und kann die Kosten des Sachverständigengutachtens selbst gegen den Schädiger geltend machen.

Ende 

[1] Palandt/Grüneberg § 364 Rz. 7

BGH a. a. O Rn. 11

[2]  Palandt/Grüneberg § 364 BGB Rz. 7

[3] Vgl. BGH, Urteile vom 28. Mai 2014 – VIII ZR 241/13, ZMR 2014, 966 Rn. 19; vom 18. Mai 1995 – IX ZR 108/94, BGHZ 130, 19, 25; vom 1. Oktober 2014 – VII ZR 344/13, NZBau 2014, 757 Rn. 14; vom 9. Dezember 2009 – XII ZR 109/08, BGHZ 183, 299 Rn. 12; vom 11. Dezember 2003 – III ZR 118/03, WM 2004, 278, 280; vom 26. Juli 2012 – VII ZR 262/11, MDR 2012, 1247 Rn. 10; vom 30. Juni 1995 – V ZR 184/94, BGHZ 130, 150, 154; zit. nach BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15.

[4] Vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15, Rn. 11

[5] Vgl. BGH, Urteil vom 21. Juni 2016 – VI ZR 475/15, Rn. 11

[6] BGH, Urteil vom 17. Juli 2018 – VI ZR 277/17, Rn. 14

[7] BGH, a. a. O. Rn. 15

[8] BGH a. a. O. Rn. 16

[9] exemplarisch AG Bad Neustadt, Urteil v. 09.03.2016 – 1 C 568/15

[10] Vgl. BGH, Urteil vom 18. Februar 2020 – VI ZR 135/19

[11] BGH a. a. O. Rn. 10

[12] BGH a. a. O Rn. 11

[13] exemplarisch Landgericht Dortmund, Urteil v. 26.06.2020, Az. 21 O 353/19

2020-12-24T09:58:22+01:00Dezember 24th, 2020|Categories: Allgemein, Urteile, Wissenswertes|